Wie soll ich mich theologisch entscheiden?

Wie soll ich mich theologisch entscheiden?

Kürzlich führte ich mit einem Freund ein kurzes Gespräch. In einem Bibelvortrag hörte er von zwei sich unterscheidenden Positionen zu einem theologischen Thema. Mit vielen Bibelstellen wurde das Für und Wider bearbeitet und natürlich auch eine Bewertung vorgenommen. Nun merkte mein Freund jedoch, dass es ihm gar nicht leichtfällt, für sich persönlich zu einer Meinung zu kommen. Beide Positionen scheinen ihm aktuell plausibel, sodass er in einem gewissen Dilemma steckt. Was soll ich nun glauben? Wofür sollte ich mich nun entscheiden? Auf wen soll ich hören?

Ich glaube, dass jeder Christ solche Momente kennt. Diese Situationen sind unangenehm, weil man gerne eine Klarheit über etwas hätte, was einem maximal unklar erscheint. In Wahrheit geht es mir persönlich nicht selten genauso. Vielleicht nicht mehr so oft bei den grundlegenderen Fragen des christlichen Glaubens, aber die christliche Theologie bietet reichlich Tiefe, dass auch der versierteste Theologe (zu denen ich gewiss nicht gehöre) ins Straucheln kommen kann. Wenn du dich in diesem Dilemma wiederfindest, dann möchte ich dir gerne folgendes auf den Weg geben.

  1. So sehr dich dein Zustand vielleicht auch ärgern mag, er beweist etwas sehr Positives. Und zwar, dass du ernsthaft und gewissenhaft bist. Dir ist nicht egal, was du glaubst. Du weißt, dass es Wahrheit gibt und hast den Wunsch sie kennenzulernen und zu glauben. Auch beweist dein Zustand, dass du nicht einfach alles und jedem blind folgst. Du denkst selber und du prüfst, was du hörst. Argumente wie „Mein Pastor hat gesagt …“ oder „In meiner Kleingruppe denken alle …“ sind dir zu billig – und das ist auch gut so.
  2. Dein Erkennen über Gott und die Bibel ist und wird so lange du lebst immer bruchstückhaft bleiben. „Jetzt erkenne ich stückweise“ (1Kor 13,12) schrieb sogar Paulus der Glaubensheld. Warum sollte für dich etwas anderes gelten, als für diese theologischen Schwergewichte? Diese Wahrheit ist sehr demütigend. Aber es ist besser diese Lektion früher als später zu lernen. Besonders eifernde und wahrheitsliebende Menschen müssen das verinnerlichen. Sie wird dich vor unbegründeter Selbstsicherheit und Überheblichkeit bewahren – ich weiß wovon ich da schreibe. Wer mit Gott zu tun hat, sollte sich ihm stets mit einer Haltung nahen, die schneller ist, zu hören, als zu reden, und die interessierter ist, zu lernen, als zu lehren.
  3. Nutze diesen Moment, um ganz neu dein Vertrauen in Gott, den Heiligen Geist, zu stärken. Es ist ein Versprechen Jesu, dass sein Geist dich „in die ganze Wahrheit leiten wird“ (Joh 16,13). Vertraue seiner Führung und seinem Timing und weniger deinen intellektuellen Fähigkeiten.
  4. Übe dich in Geduld. Unser Glaube ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Gott offenbart dir nicht alles auf einmal, sondern lässt dich als Christ wachsen (lies dazu wie Paulus für Christen betet in Kol 1,9-10). Tag für Tag, Jahr für Jahr. Wenn du einen Vers oder ein Thema jetzt nicht durchdringst, dann mach dich nicht verrückt. Es gibt allerhand, was du in diesem Augenblick schon begreifst. Konzentriere dich auf das, was Gott dir schon klar gemacht und sei treu darin. Wer im Kleinen treu ist, dem wird auch mehr anvertraut werden (vgl. Lk 16,19). Ich kann gerade nicht nachprüfen, ob es wirklich Mark Twain war, der folgendes Zitat sagte, die Aussage stimmt jedoch in jedem Fall: „Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten mit den Bibelstellen, die sie nicht verstehen. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass mich gerade diejenigen Bibelstellen beunruhigen, die ich verstehe.“
  5. Ja, Gott fordert uns heraus, aber er hat kein Interesse daran, dich zu überfordern. Nicht umsonst sagte Jesus zu seinen Jüngern in Joh 16,12: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“ Auch Paulus wusste um die Begrenzungen seiner Freunde, indem er festhält: „Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen“ (1Kor 3,2). Und auch nach einer ganzen Reihe von weiteren Erklärungen und Ausführungen musste er schließlich sagen: „Das Übrige aber will ich anordnen, sobald ich komme“ (1Kor 11,34). Alles hat seine Zeit, auch das Erkennen über bestimmte biblische Wahrheiten hat seine Zeit. Prüf dich selbst, ob wirklich Gott hinter deiner Unruhe steckt, oder nicht vielmehr andere Motive für deine Unruhe verantwortlich sind (Leistungsdenken? Perfektionismus? Anerkennung bei Menschen? Teuflische Anklage über persönliche Unzulänglichkeiten?).

Gott ist gut. Christus regiert. Gottes Geist leitet mich. Und an diesen Grundfesten ändert auch meine Unsicherheit nichts. Das ist eine gute Nachricht!