Es handelt ich hierbei um eine deutsche Übersetzung von Artikeln, die ursprünglich am 28. und 30. Dezember 2020 von Sam Storms auf https://www.samstorms.org veröffentlicht wurden. Bei der verwendeten Bibelübersetzung handelt es sich um die Elberfelder Bibelübersetzung 2006.
Teil 1
Ich schreibe nicht gerne kritische Rezensionen, doch manchmal ist es notwendig. Ich wurde vor einiger Zeit auf dieses Buch von Robert Henderson aufmerksam gemacht. Das Buch selbst wurde im Jahr 2014 veröffentlicht. Offensichtlich beginnt es mehr und mehr Einfluss zu bekommen.
Oft schon hat man den Satz gehört: „Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag.“ Das ist wahrscheinlich ein guter Grundsatz. Aber in diesem Fall wurde mein Urteil nicht vom Einband des Buches geprägt, sondern von seinem Untertitel, der mich ehrlich gesagt unangenehm überrascht hat. Der Untertitel lautet: „Gott das legale Recht schaffen, seine Leidenschaften zu erfüllen und Antworten auf Gebet zu geben.“
Ich schätze Hendersons Eifer für das Gebet und seine Betonung der wichtigen Rolle, die es bei der Erfüllung von Gottes Absichten spielt, sehr. Aber lass es mich so deutlich sagen, wie ich kann. Gott braucht weder uns noch irgendjemand anderen, um ihm das „Recht“ zu geben, das zu tun, was er tun will. Allein die Annahme, dass wir diese Macht über Gott haben, um sein Wohlgefallen zu erreichen, ist ein Hinweis auf eine unzulängliche Sicht von Gott. Gott wird durch nichts anderes gehindert als durch das Wohlgefallen an seinem eigenen Willen. Ich möchte uns alle kurz daran erinnern, wer dieser Gott ist, der laut Henderson unsere Erlaubnis braucht:
„Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte: Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist “ (Hiob 42,1-2).
„Der HERR macht zunichte den Ratschluss der Nationen, er vereitelt die Gedanken der Völker. Der Ratschluss des HERRN bleibt ewig bestehen, die Gedanken seines Herzens von Generation zu Generation“ (Ps 33,10-11).
„Unser Gott ist im Himmel; alles, woran er Gefallen hat, tut er.“ (Ps 115,3).
„Ja, ich habe erkannt, dass der HERR groß ist, unser Herr ⟨ist größer⟩ als alle Götter. Alles, woran der HERR Gefallen hat, tut er im Himmel und auf der Erde, in den Meeren und in allen Tiefen.“ (Ps 135,5-6).
„Das ist der Ratschluss, der über die ganze Erde beschlossen ist, und das ist die Hand, die über alle Nationen ausgestreckt ist. Denn der HERR der Heerscharen hat es beschlossen. Wer wird es ungültig machen? Und seine Hand ist ausgestreckt. Wer wendet sie zurück?“ (Jes 14,26-27).
„Denkt daran und ermannt euch, nehmt es ⟨wieder⟩ zu Herzen, ihr Abtrünnigen! Gedenkt des Früheren von der Urzeit her, dass ich Gott bin! Es gibt keinen sonst, keinen Gott gleich mir, der ich von Anfang an den Ausgang verkünde und von alters her, was noch nicht geschehen ist, – der ich spreche: Mein Ratschluss soll zustande kommen, und alles, was mir gefällt, führe ich aus, der ich den Raubvogel rufe von Osten her, aus fernem Land den Mann meines Ratschlusses. Ja, ich habe ⟨es⟩ geredet, ja, ich werde es auch kommen lassen. Ich habe ⟨es⟩ gebildet, ja, ich führe es auch aus.“ (Jes 46,8-11).
„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kehrte zu mir zurück. Und ich pries den Höchsten, und ich rühmte und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Generation zu Generation ⟨währt⟩. Und alle Bewohner der Erde sind wie nichts gerechnet, und nach seinem Willen verfährt er mit dem Heer des Himmels und den Bewohnern der Erde. Und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du? (Dan 4,31-32).
„Und in ihm haben wir auch ein Erbteil erlangt, die wir vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles nach dem Rat seines Willens wirkt,“ (Eph 1,11).
Allein diese und Dutzende anderer Texte bezeugen, dass Gott alles, was er tun will, auch tun wird, und dass nichts und niemand seine Hand aufhalten oder ihn daran hindern kann. Die Behauptung, Gott sei in irgendeiner Weise eingeschränkt oder daran gehindert, seine „Leidenschaft“, seine Wünsche und seinen Willen zu erfüllen, ist ein Hinweis auf ein zutiefst fehlerhaftes Gottesbild.
Hendersons Grundthese ist, dass „das Gebet eine Aktivität ist, die im Gerichtssaal des Himmels stattfindet“ (2). Er behauptet, dass der Hauptgrund dafür, dass unsere Gebete nicht erhört werden, darin liegt, dass sich Christen „in einen Konflikt stürzen, ohne sich ein Urteil des Himmels zu sichern“ (3). Damit unsere Gebete erhört werden, müssen wir uns zuerst vom himmlischen Gericht „einen juristischen Präzedenzfall sichern, um überhaupt dort zu sein“ (4). Das heißt, wir müssen zuerst „rechtliche Urteile vom Himmel“ (6) einholen, damit unsere Gebete erhört werden können. Wir müssen „in die Gerichtssäle des Himmels“ gehen und „die Dinge legal in Ordnung bringen, damit Gottes Wille auf Erden ausgeführt werden kann“ (31).
Wie kann das geschehen? Henderson glaubt, dass es geschieht, wenn „wir anfangen, Fälle zu präsentieren, die wir als Offenbarung aus den Büchern des Himmels zu sehen uns zu verstehen bekommen haben,“ (33). Es gibt „legale Argumente“, die Satan das Recht geben, über Einzelpersonen und Nationen zu herrschen, und „Schritt für Schritt und Stück für Stück entreißen wir die legalen Anrechte und gewähren Gott das legale Recht, seinen Willen für das Königreich zu erfüllen.“ (33). Wenn Du dich wunderst, wo in der Bibel ein solcher Gedanke zu finden ist, lautet die Antwort wiederum: Nirgends!
Diesem unbiblischen Ansatz des Gebets liegt der Glaube Hendersons zugrunde, „dass das, was der Himmel getan haben will, nicht ohne unsere Einbindung geschieht“ (35). Natürlich ist es wahr, dass Gott sich entschieden hat, seine Absichten als Antwort auf die Gebete zu verwirklichen, die er selbst in den Herzen und Stimmen seines Volkes hervorgerufen hat. Aber ob Gottes tiefste „Leidenschaften“, Wünsche oder Absichten erfüllt werden oder nicht, liegt letztlich allein in Gottes Hand, und niemand kann ihn daran hindern, seine Ziele zu erreichen oder seine vorherbestimmten Pläne zu durchkreuzen.
Wie bereits erwähnt, ist Hendersons Grundmotiv in diesem Buch an sich recht bewundernswert. Es belastet ihn, dass so viele unserer Gebete unbeantwortet zu bleiben scheinen. Er sehnt sich danach, zu verstehen, warum das so ist, und einen Ansatz für das Gebet zu finden, der die Effektivität der Gläubigen deutlich erhöht. Aber die vorgeschlagene Lösung für dieses Dilemma ist meiner Meinung nach fehlgeleitet und sogar gefährlich für das Leben der Gläubigen.
Wie gesagt, es schmerzt mich, eine Rezension dieser Art schreiben zu müssen. Ich bin ein praktizierender Charismatiker, der an die Ausübung aller geistlichen Gaben glaubt und unter ständigem Gebet danach strebt. Aber gerade, weil ich die Lehre der Schrift zu diesem Thema schätze, erschaudere ich, wenn andere, die sich selbst als Pfingstler oder Charismatiker bezeichnen, unserem Ruf durch die Art und Weise, wie sie die Schrift falsch auslegen und falsch anwenden, solchen Schaden zufügen.
Die Essenz von Hendersons Vorschlag ist, dass „wir es lernen müssen, nur Krieg zu führen, der auf Erlassen, Entscheidungen und Gerichtsurteilen des Himmels basiert“ (4). Seiner Meinung nach besteht das Grundproblem darin, dass „wir versucht haben, auf dem Schlachtfeld zu gewinnen, ohne dass legale Erlasse des Himmels uns den Rücken deckten. (5). Aber ist das wirklich das, was die Schrift lehrt? Wie Du im Folgenden sehen wirst, lautet meine Antwort: Nein.
Bevor ich auf diese allgemeine These eingehe, sollten wir die vielen Texte zur Kenntnis nehmen, die ernsthaft missverstanden und falsch angewandt werden, um sie zu stützen.
Lukas 18,1-8
Henderson glaubt, diese Ansicht mit der Geschichte in Lukas 18,1-8 begründen zu können, einer Passage, die er meiner Meinung nach völlig falsch interpretiert. Er argumentiert, dass die Geschichte von dem ungerechten Richter und der Witwe zeigt, dass „wir, wenn wir beten, in einen Gerichtssaal hineintreten“ (6). Das Gleichnis handelt von einem Richter, der weder Menschen noch Gott fürchtet, und einer scheinbar hilflosen Witwe, die ihn um Gerechtigkeit bittet. Dieses Gleichnis lehrt uns angeblich, dass „alles, was wir benötigen, ist ein legaler Präzedenzfall, der auf ein Urteil des Himmels basiert, und der Kampf ist vorbei. Wir setzen dann nur noch das Urteil um, das wir bekommen haben.“ (8). Natürlich steht in dem Gleichnis absolut nichts darüber, dass die Witwe einen „Präzedenzfall“ oder ein „Urteil des Himmels“ erwirkt hat.
Die Menschen werden oft in die Irre geführt, wenn sie versuchen, aus den Einzelheiten eines Gleichnisses eine tiefe theologische Lehre abzuleiten. Jesus lehrte seine Jünger in Gleichnissen, die sich auf zahlreiche Schauplätze des täglichen Lebens bezogen, sei es der Straßenrand (Lk 10,25-37), der Festsaal (Lk 14,12-24), der Bauernhof (Lk 12,13-21), das offene Land (Lk 15,1-7), das eigene Haus (Lk 15,8-10), der Familienbesitz (Lk 15,11-32), der Tempel (Lk 18,9-14), der Weinberg (Lk 20,9-18) und so weiter. In keinem dieser Fälle beabsichtigt Jesus, dass wir unseren Bezug zum christlichen Leben auf der Grundlage des Schauplatzes der Geschichte herstellen. Die Tatsache, dass Jesus ein Gleichnis erzählt, das in einem Gerichtssaal spielt, bedeutet nicht, dass die einzige wirksame Art zu beten darin besteht, sich in den Gerichtssaal des Himmels zu versetzen. Dieser Gerichtssaal befand sich auf der Erde.
Viele haben dieses Gleichnis so gelesen, als würde es lehren, dass Gott wie der Richter und wir wie die Witwe sind. Nein. Der Sinn des Gleichnisses ist es, uns zu ermutigen, ohne Unterlass zu beten, angesichts der Tatsache, dass Gott nicht wie der Richter und wir nicht wie die Witwe sind. Im Gegensatz zum Richter ist Gott gütig und großzügig und hilft uns schnell, und wir sind seine erlösten, adoptierten und geliebten Kinder, keine hilflosen Witwen, die niemanden haben, der sich für sie einsetzt. Wenn also diese hilflose und wehrlose Witwe das, was sie brauchte, von einem herzlosen und eigennützigen Richter bekommen kann, wie viel mehr sollten wir, die erlösten und geliebten Kinder Gottes, im Gebet ausharren, um von einem gnädigen und gutherzigen himmlischen Vater das zu bekommen, was wir brauchen!
Daniel 7,10
Henderson schlussfolgert viel aus Daniel 7,10 und dem Hinweis auf „die Bücher“ im Himmel. Aus diesem Text und Psalm 139,16 zieht er die Schlussfolgerung, dass „jeder Mensch ein Buch in den Himmeln hat“ (14). Aber das ist nicht das, was der Text sagt. Psalm 139,16 spricht von „Gottes“ Buch, nicht von unserem. Sein Buch ist der Plan, den er für jeden von uns hat, insbesondere „die Tage, die für uns geschaffen wurden“, „als es noch keinen von ihnen gab.“ Henderson argumentiert, ohne dies mit einem Text zu belegen, dass es „auch Bücher über Gemeinden, apostolische Netzwerke, Geschäfte, Dienste, Städte, Staaten, Regionen und Nationen gibt“ (17). Wenn man so etwas liest, sollte man sich immer die Frage stellen: „Wo steht das in der Bibel?“ In diesem Fall lautet die Antwort: Nirgends.
Was sind dann die „Bücher“ in Daniel 7,10? Es handelt sich zweifellos um eine Gerichtsszene, und die „Bücher“ sind wahrscheinlich ein Hinweis auf die Aufzeichnung der bösen Taten, die von Nichtchristen begangen wurden. Wir lesen, dass beim Endgericht „Bücher aufgeschlagen“ werden (Offb 20,12). Johannes sagt, dass „die Toten nach dem gerichtet wurden, was in den Büchern geschrieben stand, nach dem, was sie getan hatten“ (Offb 20,12). Es handelt sich nicht um „Bücher“ über Gläubige oder um „Bücher“, die unser Schicksal oder unsere Bestimmung aufzeichnen. Die „Bücher“ sowohl in Daniel 7,10 als auch in Offenbarung 20,12 enthalten die Aufzeichnungen über die Taten derer, die Christus abgelehnt haben, und werden daher als Grundlage für ihr ewiges Urteil und ihre Verurteilung in den Feuersee geworfen.
Ich sollte auch darauf hinweisen, dass die Beschreibung in Daniel 7 nirgendwo mit der Natur des Gebets in Verbindung gebracht wird. Im Text wird nichts gesagt, was uns zu der Annahme verleiten könnte, dass das Erkennen der „Geheimnisse“, die in diesen „Büchern“ enthalten sind, der Schlüssel zur Erhörung unserer Gebete ist.
Hebräer 10,5-7
In diesem Text macht Jesus Christus Gebrauch von Psalm 40,6-8, um zu erklären, dass sein Kommen, um der Sünde ein Ende zu setzen und Gottes Willen zu erfüllen, von ihm „in die Buchrolle geschrieben“ wurde (Hebr 10,7). Henderson benutzt diesen Text in unzulässiger Weise, indem er argumentiert, dass „sogar Jesus ein Buch hatte“ (15).
Er schreibt:
„Im Himmel gibt es ein Buch, in dem chronologisch aufgeschrieben steht, welche Bestimmung des Königreichs Jesus auf der Erde erfüllen würde. Jesus kam mit einer Leidenschaft und mit einer Hingabe, das zu erfüllen, was über ihn in den Büchern des Himmels geschrieben steht.“ (15).
Das Problem ist, dass „die Buchrolle“, die über Jesus geschrieben wurde und seinen Gehorsam und sein Selbstopfer vorwegnahm, für David, den Psalmisten (der Psalm 40 schrieb), höchstwahrscheinlich die Texte waren, die den davidischen Bund selbst aufzeichneten (siehe 2Sam 7,12-14; Ps 89,30-37; 132,11-12). Andere meinen, es handele sich um den Pentateuch, die ersten fünf Bücher des Alten Testaments. Im Hinblick auf das Kommen Christi wird dieses „Buch“ oder diese „Schriftrolle“ höchstwahrscheinlich auf das gesamte Alte Testament ausgedehnt. Ich will damit sagen, dass Henderson erneut versucht, einen Text zu finden, der sich auf diese angeblichen „Bücher“ im Himmel bezieht, eines, das sogar für Jesus bestimmt war, während sich der Autor des Hebräerbriefs in Wirklichkeit eindeutig auf die Bibel selbst bezieht, insbesondere auf das Alte Testament, das das Kommen des Messias voraussah und prophezeite.
Offenbarung 10
Henderson beruft sich auch auf Offenbarung 10,2 und die „kleine Schriftrolle“ in der Hand des Engels. Die Frage ist, ob diese „kleine Schriftrolle“ in Kapitel 10 mit der „Schriftrolle“ in Kapitel 5 identisch ist oder nicht. Sie erinnern sich vielleicht an Offenbarung 5, wo die Schriftrolle mit sieben Siegeln versiegelt war. Sie konnte nicht geöffnet und ihr Inhalt nicht enthüllt werden, bevor die sieben Siegel gebrochen waren. Das siebte und letzte Siegel wurde in Offenbarung 8,1 gebrochen. Jetzt, in Offenbarung 10,2, macht es Sinn, dass die Schriftrolle endlich „offen“ ist. Der Inhalt der Schriftrolle ist Gottes souveräne Absicht, sein Reich auf Erden zu errichten. Daher ist aller Wahrscheinlichkeit nach die „kleine Schriftrolle“ hier in Kapitel 10 identisch mit der „Schriftrolle“ in Kapitel fünf und enthält den Inhalt des Buches der Offenbarung selbst.
Henderson behauptet, dass Johannes, als er aus den „Büchern“ prophezeite (obwohl in der Offenbarung nur von einem einzigen „Buch“ die Rede ist), damit „ermöglichte dies den Beginn von Gerichtsverhandlungen“ (18). Aber Johannes sagt nichts über den Beginn von Gerichtssitzungen. Und Johannes sagt nichts über das Wesen des Gebets in Offenbarung 10. Diese Angewohnheit, aus Texten Dinge herauszulesen, die einfach nicht in ihnen vorkommen, ist eines der Hauptprobleme, die ich mit Hendersons Buch habe.
2. Timotheus 1,9
Ein weiteres Beispiel dafür ist seine Fehlinterpretation von 2. Timotheus 1,9. Er argumentiert, dass „Paulus Timotheus ermahnt, das zu erfüllen, was vor Anbeginn der Zeit geplant war“ (20). Aber Paulus ermahnt Timotheus nirgends, etwas Derartiges zu tun. Paulus preist Gott, weil er uns nach „seinem eigenen Plan und seiner Gnade gerettet hat, die er uns in Christus Jesus gegeben hat, ehe die Zeiten begannen“ (2Tim 1,9). Das bedeutet, so Henderson, „dass der Vorsatz und die Gnade von Anfang an auf uns gewartet haben, um sie zu entdecken“ (19). Aber Paulus sagt nichts dergleichen. Wir müssen nichts entdecken, denn Gott selbst hat diese souveräne und gnädige Absicht „durch das Erscheinen unseres Retters Christus Jesus“ (2Tim 1,10) „festgesetzt“.
Römer 8,29-30
Die vielleicht beunruhigendste Fehlinterpretation des Textes ist Hendersons völlig neue Lesart von Römer 8,29-30. Ich glaube, ich kann mit einiger Sicherheit sagen, dass seine Auslegung dieses Textes ein Novum in der Geschichte des Christentums ist. Unter den Hunderten von Kommentaren und Tausenden von Zeitschriftenartikeln über den Römerbrief hat niemand jemals etwas auch nur annähernd Ähnliches vorgeschlagen wie Henderson.
Er interpretiert Gottes „Vorherwissen“ (Röm 8,29) als Entscheidungen im Ratschluss des Herrn, die „Individuen, Städte, Staaten und Geschäfte bis hin zu ganzen Nationen” (25). Das ist natürlich nicht das, was Paulus sagt. Paulus spricht von „denen“, die Gott vorherbestimmt hat, was sich aus dem Kontext auf die „Heiligen“ (Röm 8,27) bezieht, die „Gott lieben“ und „nach seinem Vorsatz berufen sind“ (Röm 8,28). Der Text sagt nichts über Städte, Staaten, Unternehmen oder Nationen aus.
Hendersons Auffassung von Prädestination/Auserwählung ist ebenso seltsam. Er argumentiert, dass „wir sogar einen vorher bestimmten Plan für unser Leben haben und ihn nicht erfüllen können.“ (25-26). Jeder Mensch, so behauptet er, hat ein Buch im Himmel „mit einem vorherbestimmten Plan für sein Leben“ (26). Aber „wir können uns entscheiden, ob wir erforschen und entdecken wollen, was in den Büchern über uns steht, oder es missachten und unseren eigenen Weg gehen.“ (26). Auch hier sagt Paulus nichts in diesem Sinne. Was er sagt, ist, dass alle, die Gott vorherbestimmt hat, „auch vorherbestimmt sind, dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden“ (Röm 8,29). Mit anderen Worten, der Schwerpunkt dieses Abschnitts ist soteriologisch und bezieht sich auf unsere Erlösung von ihrem Beginn mit Gottes Vorherwissen bis zu ihrer Vollendung in unserer Verherrlichung.
Diese, sagt Paulus, „hat er auch berufen“ (Röm 8,30), was sich laut Henderson auf das „Stadium“ bezieht „in dem wir beginnen flüchtige Einblicke in das zu bekommen, für was wir geschaffen wurden.“ (27). Und wie bekommen wir „Einblicke“ dieser Art? Wir sollen „in unser Herz schauen“ (28). Hier behauptet Henderson „Wenn wir die Leidenschaft unseres Herzens entdecken, werden wir beginnen zu entdecken, was in unseren Büchern im Himmel geschrieben steht“ (28). Auch hier handelt es sich um reine Spekulation, die auf nichts im biblischen Text beruht. „Berufen“ zu sein bedeutet, die wirksame Einladung des Geistes zu hören und darauf zu reagieren, Jesus als Herrn und Erlöser anzunehmen.
Gerechtfertigt zu sein, sagt Henderson, „ist der Zustand, in dem wir im Gerichtssaal des Himmels waren und jede Anklage des Teufels gegen uns zum Schweigen gebracht wurde“ (28). Nein, gerechtfertigt zu sein bedeutet, für gerecht erklärt zu werden, weil uns die Gerechtigkeit Jesu selbst durch den Glauben zugerechnet oder angerechnet wird (Röm. 3,23-24; 5,1). Und was sagt Henderson dazu, dass wir auch „verherrlicht“ worden sind (Röm 8,30)? Hier ist nicht die Rede davon, „dass jemand in den Himmel geht. Es geht darum, dass wir vollkommen in all das hinein gelangen, was in den Büchern des Himmels über uns geschrieben steht.“ (29).
Um ein klares Gefühl für die Art und Weise zu bekommen, wie diese Passage missverstanden wird, sagt Henderson, dass „der wichtigste Punkt in diesem Prozess für Individuen bis hin zu Nationen ist, gerechtfertigt zu werden. Sobald wir unseren Weg durch die Gerichtssäle des Himmels genommen haben und die legalen Dinge in Ordnung bringen, kann Gott uns ohne Zurückhaltung die Wünsche seines Herzens gewähren.“ (30). Aber Freunde, wir sind bereits „durch den Glauben“ an Christus gerechtfertigt worden (Röm 5,1). Wir sind „gerechtfertigt durch seine Gnade, die ein Geschenk ist, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist“ (Röm 3,24). Wir müssen uns nirgendwo durch irgendetwas „durchmanövrieren“. Wir werden für gerecht erklärt und vor Gott voll und ganz angenommen, wenn wir Christus für unsere Erlösung vertrauen.
Hebräer 4,16
Ich lehne die Vorstellung nicht ab, dass es im Himmel „Gerichte“ gibt und dass dort Rechtsangelegenheiten entschieden werden. Aber nirgendwo in der Bibel wird uns ausdrücklich gesagt, dass wir „Geheimnisse entdecken“ (13) müssen, die in den Büchern des Himmels stehen, damit unsere Gebete erhört werden. Vielleicht würdest Du darauf antworten, indem Du auf Hebräer 4,16 hinweist, wo wir aufgefordert werden, „mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe!“
Henderson glaubt, dass wir hier Antworten finden, die uns „auf persönlicher Ebene oder im Bezug auf die Familie“ helfen (38). Aber der Autor des Hebräerbriefs schränkt nicht ein, welche Art von Bedürfnis wir haben oder für wen oder aus welchem Grund wir beten können. Und beachte, dass es ein „Gnadenthron“ ist und kein Gericht, zu dem wir uns begeben, in der Gewissheit, dass wir dort „Barmherzigkeit“ und „Gnade“ finden, die uns in der Zeit der Not helfen, und keine Geheimnisse, die in Büchern stehen, die wir erkennen und beschließen müssen.
1. Johannes 1,9
Henderson behauptet, da in diesem Vers nirgends von „Barmherzigkeit“ die Rede ist, sei Vergebung ausschließlich eine Frage der Gerechtigkeit. Nun, täuschen Sie sich nicht. Der Gerechtigkeit wurde durch den Tod Jesu an unserer Stelle Genüge getan. Die gesetzlichen Anforderungen des Gesetzes wurden in seinem sündlosen Leben erfüllt, und die strafrechtlichen Folgen unserer Sünde wurden durch sein Leiden am Kreuz beseitigt. Aber das bedeutet nicht, dass die Vergebung unserer Sünden ausschließlich rechtlich und nicht auch die Frucht von Gottes Barmherzigkeit und Gnade ist. Sie ist beides.
Paulus sagt, dass Gott „reich an Barmherzigkeit“ war und eine so „große Liebe“ zu uns hatte, dass er uns zusammen mit Christus lebendig gemacht hat (Eph 2,4). Als wäre das nicht genug, schreibt der Apostel weiter: „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Retter-Gottes erschien, rettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit ⟨vollbracht⟩, wir getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes. Den hat er durch Jesus Christus, unseren Retter, reichlich über uns ausgegossen, damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben nach der Hoffnung des ewigen Lebens wurden.“ (Tit 3,4-7). Der Apostel Petrus stimmt dem zu, indem er unsere Wiedergeburt und Errettung der „großen Barmherzigkeit Gottes“ zuschreibt (1Petr 1,3-5).
Henderson betont immer wieder die Umkehr, und das zu Recht. Aber er tut dies aus den falschen Gründen. „Unsere Buße“, sagt er, „gibt Gott das legale Recht, seine Gnade zu zeigen“ (44). Aber wie kann das sein, wenn unsere Reue selbst ein Geschenk Gottes ist? Wir tun nur deshalb Buße, weil Gott uns gnädig dazu befähigt, wie wir in Texten wie Apg 5,31; 11,18; 2Tim 2,24-26 deutlich sehen.
Matthäus 16,18-19
Um seine These zu belegen, dass Gott „nichts tun kann, es sei denn wir geben ihm das legale Recht dazu“ (49; ja, Du hast richtig gelesen!), zitiert er die Worte Jesu in Matthäus 16,18-19, in denen von den „Schlüsseln des Himmelreichs“ und der Autorität der Kirche die Rede ist, entweder zu „binden“ oder zu „lösen“. Nach Henderson sagte Jesus, „dass die Ekklesia [Kirche] die juristische Verantwortung hat, bindende Verträge mit dem Himmel abzuschließen, die Gott das legale Recht geben auf dem Planeten zu kommen und ihn zu beeinflussen. Die Ekklesia hat auch die Aufgabe, Verträge mit dem Teufel aufzulösen, die ihm erlauben auf der Erde zu wirken. Wenn wir lernen die Dinge legal in Ordnung zu bringen, dann können wir sehen, wie der Teufel ausgeschlossen und der Wille Gottes etabliert wird.“ (50).
Eigentlich, nein. In diesem Text geht es nicht um das Gebet. Es geht nicht darum, Verträge zu schließen oder aufzulösen. Die Person mit den „Schlüsseln“ „hat die Macht, den Zutritt auszuschließen oder zu erlauben (vgl. Offb 9,1-6; 20,1-3)“ (D. A. Carson, Matthew, 370). Die Worte, die mit „wird im Himmel gebunden sein“ und „wird im Himmel gelöst sein“ übersetzt werden, können auch mit „wird im Himmel schon gebunden sein“ und „wird im Himmel schon gelöst sein“ wiedergegeben werden (eine strenge Wiedergabe der zukünftigen periphrastischen Perfekte im Griechischen). Dieses Binden und Lösen bezieht sich auf Personen und ihre jeweiligen Reaktionen auf das Evangelium des Reiches Gottes.
Carson erklärt:
„Petrus vollzieht dieses Binden und Lösen, indem er ein Evangelium verkündet, das bereits gegeben wurde, und indem er auf dieser Grundlage eine persönliche Anwendung vornimmt … Was immer er bindet oder löst, wird gebunden oder gelöst sein, solange er sich an dieses göttlich offenbarte Evangelium hält. Er hat keine direkte Leitung zum Himmel, noch weniger zwingen seine Entscheidungen den Himmel, sich daran zu halten; aber er kann beim Binden und Lösen autoritativ sein, weil der Himmel zuerst gehandelt hat… Diejenigen, die er hineinführt oder ausschließt, sind bereits von Gott gebunden oder gelöst worden, gemäß dem Evangelium, das bereits geoffenbart wurde und das Petrus durch sein Bekenntnis zu Jesus als dem Messias am deutlichsten erfasst hat“ (373).
Der Text ist nicht leicht zu entschlüsseln, aber eines ist klar: Es geht hier nicht darum, die himmlischen Gerichte zu navigieren und die Geheimnisse in den Büchern zu erkennen, um Verträge zu schließen oder aufzulösen und damit Gott die Erlaubnis zu geben, seinen Willen zu erfüllen.
Lukas 22,31-32
Dieser Abschnitt erzählt, wie Jesus versprach, für Petrus zu beten, dass sein Glaube nicht versagen würde. Henderson glaubt, dass „Jesus für Petrus in die Gerichtshöfe des Himmels ging und die Bestimmung, die für ihn in den Büchern des Himmels geschrieben stand, sicherte.“ (50). Es erübrigt sich zu sagen, dass Henderson, wie wir schon oft gesehen haben, Ideen und Worte in den Text hineinliest, die einfach nicht da sind. Jesus bat den Vater in Petrus’ Namen um Kraft zum Durchhalten, und sie wurde ihm gewährt.
Es gibt zahlreiche andere Texte, die Henderson zur Verteidigung seiner Ansicht zitiert, aber keiner von ihnen sagt das, was er uns glauben machen will, dass sie sagen. Seine These wird im ganzen Buch wiederholt: „wir müssen lernen in den Gerichtssälen des Himmels zu wirken und dem Herrn das legale Recht gewähren, die Nationen und uns wieder zu segnen. Es ist ein Herzensanliegen uns zu segnen aber wir müssen ihm das legale Recht schaffen es tun zu können.“ (66). Immer wieder appelliert er an Dich, den Leser: „Lasst uns Gott das legale Recht einräumen, seinen Herzenswunsch, den er vor Anbeginn der Zeit in die Bücher geschrieben hat, zu erfüllen“ (73).
Fazit
Mit „Fazit“ meine ich nicht das Ende dieser Rezension. Dies war nur der erste Teil. Teil zwei wird bald folgen. Aber ich hoffe, Du bekommst einen Eindruck von den wiederholten exegetischen und theologischen Fehlern, die Henderson in seinem Bemühen begeht, eine Auffassung vom Gebet zu verteidigen, von der ich einfach nicht glaube, dass sie in der Heiligen Schrift zu finden ist.
Teil 2
Robert Henderson hat eine Reihe von Büchern geschrieben, in denen er seine Thesen über das Wesen und die Macht des Gebets verteidigt. Meine Rezension beschränkt sich auf das erste und grundlegende Buch dieser Reihe, „Operating in the Courts of Heaven“ (2014). Sollte ich feststellen, dass er in den Folgebänden von dem, was im ersten Band geschrieben wurde, umkehrt, oder es korrigiert, werde ich das Erforderliche widerrufen.
Bevor ich meine Rezension von Hendersons erstem Buch beende, muss ich noch etwas über das Gebet sagen. Wie wir im ersten Teil meiner Rezension gesehen haben, beziehen sich die vielen Texte, die Henderson zur Untermauerung seiner These anführt, nicht einmal im Entferntesten auf das, was er zu beweisen hofft. Was also sagt das NT über das Gebet? Was wird uns darüber gelehrt, wie wir uns dem Thron der Gnade nähern sollen, und warum erwähnt Henderson die Texte, die ich unten zitiere, nicht?
In Lukas 11,1 lesen wir, dass einer der Jünger Jesu zu ihm sagte: „Herr, lehre uns beten“. Dies scheint eine ausgezeichnete Gelegenheit für Jesus zu sein, uns zu lehren, so zu beten, wie Henderson es uns vorschreibt. Aber wir finden nichts darüber, wie man vor den Gerichten des Himmels agiert oder ein juristisches Urteil erwirkt, das es Gott erlauben würde, unsere Gebete zu beantworten. Stattdessen sagt Jesus uns, dass wir Gott als „Vater“ und nicht als „Richter“ ansprechen sollen (obwohl das nicht heißen soll, dass Gott kein Richter ist; natürlich ist er einer). Siehe die Parallele zum Vaterunser in Matthäus 6,5-15. In diesem letzten Abschnitt fordert Jesus uns auf, Gott als Vater anzusprechen und im Gebet zu ihm zu kommen. Die persönliche Anrede Gottes als „Vater“ findet sich zweimal in V. 6, einmal in V. 8, einmal in V. 9, einmal in V. 14 und einmal in V. 15.
Wenn es einen Text gibt, der unser Gebet bestimmen sollte, dann ist es Lukas 11,5-13. Die Grundlage für die Gewissheit, dass wir, wenn wir im Gebet verharren, eine Antwort erhalten werden, ist die Güte unseres Vaters. Jesus erwähnt nicht, dass er Gott zum Handeln freigibt oder ihm die Erlaubnis erteilt. Wir erhalten Antworten auf unsere Bitten, weil unser himmlischer Vater im Gegensatz zu „bösen“ Menschen wie dir und mir (V. 13) gut, freundlich und großzügig ist. Deshalb ist er „viel mehr“ geneigt, „denen, die ihn bitten, den Heiligen Geist zu geben“ (V. 13). In Matthäus’ Bericht gibt uns der Vater den Heiligen Geist nicht nur, wenn wir darum bitten (wohlgemerkt: „bitten“, nicht anordnen oder deklarieren oder ein Urteil erwirken, sondern einfach „bitten“), sondern er gibt uns auch „gute Dinge“.
Als die frühe Kirche betete, baten sie Gott, seinen Dienern die Freimütigkeit zu geben, das Wort zu verkünden (Apg 4,29). Es ist Gott, der uns „gewährt“, was wir brauchen, nicht wir, die Gott die Erlaubnis „gewähren“, uns das zu geben, was er sich wünscht, aber sonst daran gehindert würde. Das Gebet wird in der Apostelgeschichte mehrfach erwähnt, aber nicht ein einziges Mal in der Weise, wie Henderson es fordert (siehe 1,24; 2,42; 4,29.31; 6,4.6; 8,15.22.24; 9,11.40; 10,2.4.9.30.31; 11,5; 12,5; 13,3; 16,25; 20,36).
Das Gebet wird in zahlreichen neutestamentlichen Briefen erwähnt, z. B. in Römer 1,9-10; 8,26-27; 10,1; 12,12; 15,30; 1Kor 7,5; 11,4-5; 14,13.14.15. Ich könnte noch weitere Texte aus dem 2. Korintherbrief anführen, in denen das Gebet häufig erwähnt wird. Im Epheserbrief spricht Paulus zahlreiche Male vom Gebet (siehe 1,15-18; 3,14-21; und 6,18). Dasselbe gilt für den Philipperbrief (1,3-10, 19; 4,4-7), den Kolosserbrief (1,3-4; 4,2-4), den 1. Thessalonicherbrief (1,2; 5,17), den 2. Thessalonicherbrief (1,11; 3,1), den 1. Timotheusbrief (2,1-2, 8), um nur einige zu nennen. Ich bin sicher, dass ich einige Texte übersehen habe, vor allem solche, in denen das Wort „Gebet“ nicht vorkommt, in denen aber tatsächlich gebetet wird. Es gibt auch Jakobus 1,5-6; 4,2-3; 5,13-18; 1. Petrus 3,7; 1. Johannes 5,14-15, 16-17; 3. Johannes 2; Judas 20; und zahlreiche Verweise im Buch der Offenbarung.
Warum habe ich all diese Texte aufgeführt? Einfach um zu zeigen, dass wir in keinem von ihnen das Modell oder die Theologie des Gebets finden, die Henderson vertritt. Das ist eine große Sorge, die ich habe, wenn es um meine Brüder und Schwestern in der charismatischen Welt geht. Obwohl sie regelmäßig ihren Glauben an die Genügsamkeit der Schrift bekräftigen, lassen ihre Praxis und Publikationen oft vermuten, dass sie nicht verstehen, was dies bedeutet, oder dass sie es verstehen, jedoch einfach ignorieren. Die Tendenz, Lehren und Praktiken zu entwickeln, die nicht nur nicht in der Schrift zu finden sind, sondern sogar im Widerspruch zur Heiligen Schrift stehen, ist äußerst gefährlich. Ich fürchte, dass die Sehnsucht nach etwas Neuem und „noch nie Gehörtem“ oft charismatische Autoren und Leiter antreibt. Mögen wir das breite Spektrum der geistlichen Gaben, die im Neuen Testament beschrieben werden, in vollem Umfang annehmen und gleichzeitig darauf vertrauen, dass die Heilige Schrift uns vollständig lehrt und für alle unsere Bedürfnisse sorgt, besonders wenn es um das Gebet geht.
Wir wenden uns nun der zweiten Hälfte von Hendersons Buch zu, in der er das erläutert, was er „Stimmen in den Gerichten“ nennt. Er behauptet, dass es „in den himmlischen Gerichtssälen, viele verschiedene Stimmen“ gibt und dass es unsere Aufgabe ist „diese Stimmen zu verstehen und in Übereinstimmung mit ihnen zu kommen“ (75). Nur wenn wir „Unsere Stimmen und unseren Glauben mit diesen Stimmen über Einstimmung bringen, dann wird freigesetzt, dass der Wille Gottes hier auf der Erde erfüllt werden kann“ (75). Wenn „Die Manifestation des Königreichs nicht ausreichend sichtbar ist“, liegt das daran, dass Du und ich „dem Vater noch das legale Recht einräumen müssen, seine Herzenswünsche für uns zu erfüllen“ (75).
Wenn Du fragst: „Wo in der Schrift finden wir das?“, lautet die Antwort wieder: nirgends. Henderson ist natürlich anderer Meinung und verweist uns auf Hebräer 12,22-24,
„sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem; und zu Myriaden von Engeln, einer Festversammlung; und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind; und zu Gott, dem Richter aller; und zu den Geistern der vollendeten Gerechten; und zu Jesus, dem Mittler eines neuen Bundes; und zum Blut der Besprengung, das besser redet als ⟨das Blut⟩ Abels.“ (Hebr 12,22-24).
Ich habe nicht den Platz, um auf die zahlreichen Möglichkeiten einzugehen, mit denen Henderson Hebräer 12 missversteht und falsch anwendet. Kommen wir also gleich zu seinem Hauptpunkt. Er schreibt: „Hebräer 12,22-24 listet auch Stimmen im Gerichtsystem des Himmels auf. Es werden acht Stimmen erwähnt, denen wir in den Gerichtssälen des Himmels begegnen können und mit denen wir in Übereinstimmung kommen sollten.“ (86). Und „Wenn wir mit diesen Stimmen in Übereinstimmung kommen, werden wir Teil von Gottes legalem Recht, um seine Leidenschaft zu erfüllen.“ (86). Siehst Du etwas davon in Hebräer 12? Ich sehe es nicht. Nirgendwo in Hebräer 12 werden diese Realitäten als „Stimmen“ beschrieben, auf die wir hören sollten.
Die einzige Stelle, an der auch nur annähernd von einer „Stimme“ die Rede ist, ist der Hinweis in V. 24 auf „Jesus, dem Mittler eines neuen Bundes“ und „Blut der Besprengung, das besser redet als das Blut Abels.“. Nachdem Kain Abel ermordet hatte, erklärte Gott, dass dessen Blut „vom Erdboden zu mir schreit“ (Gen 4,10). In diesem Text geht es eindeutig darum, dass Abels Tod nach Gerechtigkeit verlangt. Kain muss die Konsequenzen seiner Tat tragen. In Hebräer 11,4 sagt der Autor des Hebräerbriefs, dass Abel, „obgleich er gestorben ist, … redet er noch“. Was soll das bedeuten? Spricht das Blut von Abel buchstäblich? Spricht Abel buchstäblich zu uns heute? Nein. Dies ist offensichtlich ein anschauliches Bild, mit dem der bleibende Einfluss von Abels Zeugnis betont werden soll. Es ist Abels Glaube, auf den wir hingewiesen werden. Sein „Blut“ „spricht“ nur in dem Sinne, dass sein Tod für uns alle ein Beispiel für den Preis ist, der oft für den Glauben, die Treue und den Gehorsam gegenüber Gott bezahlt werden muss.
In Hebräer 12,24 wird das Blut Jesu mit dem Blut Abels verglichen. Während das Blut Abels nach Gerechtigkeit und Strafe rief, verkündet das Blut Jesu die Vergebung der Sünden und die Versöhnung mit Gott. Deshalb ist „das besprengte Blut“ Jesu „besser“ als „das Blut Abels“.
Manchmal kann ich nicht umhin, mich laut zu fragen, woher Henderson seine Ideen hat. Zum Beispiel glaubt er, dass sein (Hendersons) „buchstäbliches Blut“ in seinen Adern „eine Stimme der Gewalt“ hatte (94). Er sagt, dass „der Zorn, der in mir war, seine Wurzeln in meinem Blut hatte, das durch die Sünden meiner vergangenen Generationen befleckt war“ (94). Oder könnte es einfach sein, dass dieses Problem mit dem Zorn auf sein gefallenes Fleisch zurückzuführen ist? Anstatt die Schuld auf etwas zu schieben, was die „früheren Generationen“ getan haben, solltest Du die Verantwortung für die Zerrissenheit Deines eigenen Herzens und seine sündigen Begierden übernehmen und Gott um Vergebung und die Kraft bitten, der Versuchung zu widerstehen, in Wut zu explodieren.
Ein weiteres Beispiel für solch unbiblisches Denken ist seine Behauptung, dass „wenn Gott verliert, es daran liegt, dass wir uns nicht um etwas Rechtliches gekümmert haben“ (109). An anderer Stelle sagt er, dass „unsere finanziellen Zuwendungen, Opfer und Gaben eine Grundlage für unser Gebet und unsere Fürbitte schaffen“ (110). Nun, nein! Die Grundlage oder der Grund, auf dem wir vor dem Thron der Gnade beten und Fürbitte einlegen, ist das ein für allemal vollbrachte Werk Christi für uns am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten.
Wie wir bereits gesehen haben, hat Henderson eine merkwürdige Auffassung von Rechtfertigung. Er scheint zu glauben, durch Glauben, tun wir Buße und empfangen die gewährte Gerechtigkeit, die vom Herrn Jesus und seinem Opfer kommt. Dadurch ist uns erlaubt, in den Gerichtshöfen des Herrn zu stehen. (114), während die Rechtfertigung in Wirklichkeit ein einmaliges Ereignis ist, das in dem Moment stattfindet, in dem wir unser Vertrauen auf Christus setzen, um gerettet zu werden.
In Anlehnung an ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht, argumentiert Henderson, dass „es sogar so ist, dass, wenn wir unsere Plätze im Gerichtssaal des Himmels nicht einnehmen, Gottes Pläne für die Erde nicht verwirklicht werden können.“ (121). Wirklich?
Henderson kommt einer römisch-katholischen Auffassung von der Gemeinschaft der Heiligen nahe, wenn er behauptet, dass die Märtyrer „immer noch beten und Fürbitte tun“ (123). Fürsprache für wen? Sicherlich nicht für uns. Im Gegensatz zu dem, was Henderson in Offenbarung 6,9-11 zu sehen glaubt, bitten die Märtyrer Gott lediglich darum, ihr Blut an denen zu rächen, die ihnen das Leben genommen haben. Sie beten nicht für uns oder legen Fürsprache für jemanden ein.
Er legt auch Hebräer 12,1 so aus, dass er lehrt, dass die Heiligen, die für ihren Glauben gestorben sind, „sie sogar im Gerichtssaal sind und ihre Stimme und ihr Zeugnis für diejenigen von uns einsetzen, die diese Sache, für die sie ihr Leben gegeben haben, jetzt vollenden müssen“ (124). Aber ich sehe im Text nichts, was darauf hindeutet, dass diese „Zeugen“ genau das tun. Soweit es sich bei diesen „Zeugen“ um die gerade in Hebräer 11 beschriebenen alttestamentlichen Gläubigen handelt, haben sie durch ihr Leben die Gnade Gottes und die Möglichkeiten eines Glaubenslebens bezeugt oder Zeugnis davon abgelegt. Ihr Glaubensleben ist sozusagen der Beweis, auf den sie unsere Aufmerksamkeit lenken, dass Gott unseres Vertrauens würdig ist. Es geht nicht so sehr darum, dass sie auf uns schauen, sondern wir werden ermutigt, auf sie und ihr Zeugnis zu schauen und dadurch ermutigt und gestärkt zu werden und daran erinnert zu werden, was erreicht werden kann, wenn wir unseren Glauben an Gott ausüben. Einfach ausgedrückt: Diese alttestamentlichen Heiligen legten durch ihr Leben des Glaubens und der Beharrlichkeit Zeugnis ab, ein Beispiel, dem wir nun nachzufolgen ermahnt werden. Aber es gibt nichts im Text, was uns zu der Annahme verleiten könnte, dass sie „immer noch eine Stimme haben und ihr Zeugnis in den Gerichtssälen des Himmels einsetzen“ (124).
Henderson vertritt weiterhin die Ansicht, dass „Wenn wir im irdischen Bereich in den Gerichtshöfen des Himmels wirken, müssen wir in Übereinstimmung mit der Fürbitte dieser Zeugen kommen. Unsere Übereinstimmung mit Ihnen erbringt im Himmel, das legale Recht, dass das erfüllt werden kann, wofür sie ihr Leben niedergelegt haben.“ (125). Auch hier muss ich mich wiederholen. Wo im Text wird etwas Derartiges dargestellt? Welche Worte im Text rechtfertigen diese Schlussfolgerung? Ich kenne keinen Text in der Bibel, in dem die Gemeinde auf der Erde ermahnt wird, mit der Gemeinde im Himmel „übereinzustimmen“, damit der Wille des Reiches Gottes vollendet wird (125).
Eine weitere Fehlinterpretation ist Hendersons Sicht von Hebräer 11,39-40. Dort lesen wir von den alttestamentlichen Gläubigen, die „doch nicht die Verheißung erlangt haben, weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat: dass sie nicht ohne uns vollendet würden.“ Das Versäumnis, das Verheißene zu empfangen, wurde bereits in Hebräer 11,13 erwähnt und bezieht sich auf die Vollendung der Erlösungsabsichten Gottes für sein Volk. Ihre Reinigung von der Sünde konnte nicht vollständig und endgültig durch die Opfer des alten Bundes erreicht werden, sondern musste auf den „besseren“ Bund warten, den Jesus eingeweiht hat und durch den wir alle zusammen „vollkommen gemacht“ werden.
Henderson ist jedoch der Ansicht, dass dieser Text uns sagt, dass „Ihre ultimative Leidenschaft nicht erfüllt werden kann, wenn wir uns mit ihrem Opfer nicht eins machen und es zu Ende bringen, so dass der Plan Gottes erfüllt wird.“ (127). Es geht jedoch nicht darum, dass „wir“ irgendetwas vollenden oder uns ihrem Opfer „anschließen“, sondern darum, dass Gott uns durch das vollendete Werk Christi in den Zustand der moralischen Vollkommenheit bringt. „Die Wolke der Zeugen“, sagt Henderson, „engagiert sich dafür, uns zu helfen, unsere Bestimmung in unseren Generationen zu erfüllen [das steht nirgends im Text], weil sie ohne uns nicht perfekt gemacht werden“ (129). Aber sie sind bereits vollkommen gemacht worden, wie Hebräer 12,23 eindeutig feststellt. Diese Vollkommenheit bezieht sich auf die vollständige und endgültige Vergebung der Sünden, die das Opfer Christi am Kreuz erwartete.
In seinem Appell an Gott, „den Richter aller“ (Hebr 12,23), argumentiert Henderson, dass „es legale Anrechte geben, die verhindern, dass seine väterlichen Wünsche erfüllt werden. „Gott wird in seiner Rolle als Richter niemals einen Kompromiss eingehen, um sich dadurch seine väterlichen Wünsche zu erfüllen. Das zu tun, würde ihn weniger als Gott machen“ (136). Nun, natürlich geht Gott niemals Kompromisse bei seiner Gerechtigkeit als Richter ein. Aber was ihn „weniger als Gott“ macht, ist der Glaube, dass er ohnmächtig und hilflos ist, um seine Wünsche zu erfüllen, und dass er so sehr von uns abhängig ist, dass er andernfalls „verlieren“ würde, wenn wir unsere gesetzlichen Rechte im Himmel nicht wahrnehmen. Zu sagen, dass „Gott nicht eingreifen kann, solange wir ihm nicht das legale Recht dazu geben“ (142), bedeutet, den allmächtigen und ganz und gar majestätischen Gott des Himmels und der Erde auf eine Marionette unseres Willens zu reduzieren.
Wiederum beruft sich Henderson auf Hebräer 12,23, um zu argumentieren, dass „die Gemeinde der Erstgeborenen im Himmel registriert ist, um in den Gerichten des Herrn zu wirken.“ Ja, sie sind im Himmel registriert, ihre Namen sind im Buch des Lebens des Lammes aufgeschrieben. Aber woher nimmt er die Vorstellung, dass sie in den Höfen des Herrn tätig sind? Nicht aus Hebräer 12, das ist sicher.
Einmal mehr wird Hebräer 12 zitiert, um zu beweisen, dass „Engel, die wichtige Aufgabe, Beweise zu sammeln und zu präsentieren. Sie setzen die notwendigen Zeugnisse frei und präsentieren die Beweise, die benötigt werden, damit Gott ein Urteil fällen kann“ (176). Ich weiß, dass ich mich wie eine kaputte Schallplatte anhöre, aber noch einmal: Wo in irgendeinem Text (und schon gar nicht in Hebräer 12) steht das in der Bibel? Nicht nur die Engel, sondern „alle Stimmen im Himmel arbeiten darauf hin, aber es ist unsere Aufgabe, mit Ihnen in Einstimmung zu kommen, bis legale Präzedenzfälle etabliert sind“ (177). Diese Ideen sind die Frucht von Hendersons Fantasie und nicht das Ergebnis einer sorgfältigen Lektüre des biblischen Textes.
Warum haben die Ereignisse des 11. Septembers stattgefunden? Henderson behauptet, dass sie auf unser Versagen zurückzuführen sind, „Als Leib Christi haben wir versagt und unseren Platz als Ekklesia nicht eingenommen und Gott nicht das legale Recht gewährt, die Pläne des Teufels abzuwehren“ (186). Mir fehlen einfach die Worte, um auf eine solch ungeheuerliche Behauptung zu antworten.
Ich könnte noch ein Dutzend oder mehr Beispiele anführen, in denen Henderson seine persönlichen theologischen Vorstellungen in biblische Texte einfügt. Das ist keine Exegese, sondern Eisegese, ein Hineinlesen von Bedeutungen und Anwendungen in Texte, die nicht aus den Texten herausgelesen werden können.
Es gibt noch ein letztes Element in Hendersons Buch, das angesprochen werden muss. Er spricht oft davon, für die Sünden anderer Menschen Buße zu tun. Eines von mehreren Beispielen ist, dass Henderson selbst sagt, er „tat Buße für das, was meine Vorfahren getan hatten“ (94).
Die Vorstellung, dass ein Mensch im Namen anderer Buße tun kann und sollte, beruht weitgehend auf Texten des Alten Testaments, in denen beschrieben wird, dass das Land durch die Sünden Israels verunreinigt oder verdorben wurde. Um dieses Urteil zu überwinden oder umzukehren, müssen wir uns heute in gewisser Weise mit den Menschen der Vergangenheit „identifizieren“ und für die von ihnen begangenen Sünden „Buße tun“. George Otis beschreibt diese „Reue“ in zwei Stufen: „(1) ein Eingeständnis, dass die eigene Bezugsgruppe (Clan, Stadt, Nation oder Organisation) sich einer bestimmten gemeinsamen Sünde vor Gott und den Menschen schuldig gemacht hat, und (2) eine betende Bitte, dass Gott die persönliche Ablehnung dieser Sünde als einen erlösenden Stützpunkt benutzt, von dem aus er sich in die größere Gemeinschaft hinein bewegt“ (Informed Intercession, 251).
Aber beachte, dass Otis hier nirgends auf das biblische Konzept der Buße Bezug nimmt. Ja, wir müssen die Sünden der Vergangenheit anerkennen und sie ablehnen und uns durch die Kraft des Geistes verpflichten, sie in unserer Erfahrung nicht zu wiederholen. Aber das ist etwas ganz anderes als zu sagen, dass wir für die Sünden unserer Vorfahren „Buße tun“ können.
Reue ist per Definition das Eingeständnis (was in der Regel mit tiefer Trauer und Reue verbunden ist), das Bekenntnis und die Abkehr von den Sünden, die man begangen hat, und zwar sowohl in Bezug auf das, was man glaubt, als auch auf das, wie man sich verhält. Daher ist es unmöglich, dass ich für Sünden Buße tun kann, die ich nicht begangen habe. Das heißt aber nicht, dass die Sünden anderer, ob die unserer Vorfahren oder unserer Zeitgenossen, für uns irrelevant sind. Wie reagieren wir also auf die Sünden der anderen? Was ist unsere Verantwortung?
Zunächst sollten wir solche Sünden anerkennen und bekennen. Wir sollten anerkennen, dass unsere Vorfahren oder unsere Zeitgenossen, mit denen wir in irgendeiner Weise verbunden oder verwandt sind, gegen das Gesetz Gottes verstoßen haben. Das vielleicht deutlichste Beispiel dafür findet sich in der Bibel bei Nehemia. Dort sagt Nehemia:
„Und ich sprach: Ach, HERR, Gott des Himmels, du großer und schrecklicher Gott, der da hält den Bund und die Treue denen, die ihn lieben und seine Gebote halten! Lass doch deine Ohren aufmerken und deine Augen offen sein, dass du das Gebet deines Knechtes hörst, das ich jetzt vor dir bete Tag und Nacht für die Israeliten, deine Knechte, und bekenne die Sünden der Israeliten, die wir an dir getan haben; und ich und meines Vaters Haus haben auch gesündigt. Wir haben übel an dir getan, dass wir nicht gehalten haben die Gebote, Befehle und Rechte, die du geboten hast deinem Knecht Mose. (Neh 1,5-7)
Ein ähnliches Gebet wurde von Daniel während der babylonischen Gefangenschaft gesprochen (siehe Daniel 9,1-19). Beachte aber genau, dass weder Daniel noch Nehemia für andere Menschen „Buße tun“. Sie benennen die Sünden der anderen. Sie erklären, dass sie und andere in Israel gesündigt haben. Sie entschuldigen sich nicht für ihre Sünden. Beide bitten Gott um Erbarmen für sich und das Volk Israel. Aber das ist nicht dasselbe wie „Buße tun“ für die Sünden der anderen. Zweifellos bereuten sie ihre eigenen Sünden, indem sie sich entschlossen, ihren sündigen Lebenswandel aufzugeben und Gottes offenbarten Willen zu befolgen. Aber eine Person kann das nicht anstelle einer anderen tun. Jeder Einzelne muss dies für sich selbst tun.
Wir müssen auch bedenken, dass sowohl Nehemia als auch Daniel unter dem Diktat des mosaischen Bundes lebten. Die Segnungen und Flüche (siehe 5Mo 28), die auf das Volk Israel für seinen Gehorsam oder seine Rebellion zukommen würden, gelten nicht mehr für andere geopolitische Nationalstaaten. Gott schließt keinen Bund mit Nationen, sondern nur mit dem „heiligen Volk“ der Kirche Jesu Christi, einem eindeutig multiethnischen, geistlichen Leib von Gläubigen (1Petr 2,9). Wir müssen uns vor der (vor allem in der breiteren pfingstlich-charismatischen Welt zu beobachtenden) Tendenz hüten, ausschließlich Texte des Alten Bundes mit seinen Verheißungen und Warnungen auf diejenigen anzuwenden, die jetzt unter den Bedingungen des Neuen Bundes in Christus leben.
So kann ich Gott bekennen, dass „wir“ in der Bridgeway Church hier in Oklahoma City uns in irgendeiner Weise von Gott abgewandt haben und dass „wir“ zu Recht unter seiner Zucht stehen. Ich kann die Wahrheit über unsere Übertretungen verkünden, ihnen abschwören und im Namen des gesamten Volkes zu Gott schreien. Aber ich kann nicht für das, was andere getan haben, Buße tun, sondern nur für das, was ich getan habe, und dann beten, dass Gottes Geist andere dazu erweckt, ebenfalls für ihre eigenen Sünden Buße zu tun.
Zweitens sollten wir auch die Sünden unserer Vorfahren oder unserer Zeitgenossen, mit denen wir in enger Beziehung stehen, verleugnen, zurückweisen und ablehnen. Wir sollten durch unser Bekenntnis und unser Verhalten deutlich machen, dass wir mit dieser Art von bösem Verhalten nichts zu tun haben wollen, dass wir solche sündigen Handlungen niemals wiederholen wollen und dass wir uns von den zerstörerischen Folgen distanzieren wollen, die auf das sündige Verhalten unserer Vorfahren oder Zeitgenossen folgen. Der Verzicht auf die Sünden anderer ist jedoch nicht dasselbe wie die Reue für die Sünden anderer.
Drittens ist es wichtig, bei all dem daran zu denken, dass niemand von uns von Gott für die Sünden unserer Vorfahren oder Zeitgenossen verantwortlich gemacht wird, es sei denn, wir haben selbst zu ihren Sünden beigetragen, indem wir sie zu bösem Verhalten ermutigt haben oder indem wir uns entschieden haben, ihr sündiges Verhalten in unserem eigenen Leben zu wiederholen. Aber Gott wird mich nicht für die Sünden meiner Vorfahren verantwortlich machen, noch wird er mich für das, was sie getan haben, bestrafen oder verurteilen.
Was sollen wir dann mit Texten wie 2. Mose 20,5-6 anfangen?
„Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“
Beachte sorgfältig, dass die Heimsuchung der Schuld der Vorfahren durch die nachfolgenden Generationen nur diejenigen trifft, „die mich hassen“. Nur wenn wir uns entscheiden, die Sünden unserer Vorfahren zu wiederholen, zu kopieren oder fortzusetzen, erleiden wir das göttliche Gericht. Gleichermaßen trifft die beständige Liebe diejenigen, die Gott lieben und seine Gebote halten.
In diesem Sinne müssen wir 5. Mose 24,16 in Betracht ziehen – „Die Väter sollen nicht für die Kinder noch die Kinder für die Väter sterben, sondern ein jeder soll für seine Sünde sterben“ (vgl. Hesekiel 18,2-4, 20). Der Punkt ist folgender: Wenn Du Gott nicht hasst, gilt diese Drohung nicht für Dich.
Ich schließe mit einer einfachen Warnung und einem Ratschlag. Dies ist kein hilfreiches Buch. Es wird nicht dazu dienen, Dein Gebetsleben zu stärken. Es ist ein Buch, das von allen Christen gemieden werden sollte.
Mein Rat ist ebenso einfach und geradlinig. Die grundlegendste Frage, die sich jeder stellen kann, wenn er von einer seltsamen neuen Theorie oder Auslegung hört, ist diese: „Wo steht das in der Bibel?“ Mache Dir nicht einfach die Agenden, Theologien oder Strategien zu eigen, von denen jemand behauptet, sie seien durch bestimmte biblische Texte gerechtfertigt. Prüfe die Texte selbst und frage einfach: „Steht das tatsächlich in den Worten der Heiligen Schrift? Wo im Text findet er das?“ Das wird dir bei Deinem Bemühen, die Lehre des Wortes Gottes zu verstehen, gute Dienste leisten.
Quellen
- https://www.samstorms.org/enjoying-god-blog/post/a-review-of–operating-in-the-courts-of-heaven–by-robert-henderson-part-one
- https://www.samstorms.org/enjoying-god-blog/post/a-review-of–operating-in-the-courts-of-heaven–by-robert-henderson-part-two
Ein Dank geht an Carolin Haux und Simon Pauls, die bei der Übersetzung, Recherche und Korrektur maßgeblich beteiligt waren.